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Poisson-Klammer

In diesem Artikel wird die vielseitige Poisson-Klammer vorgestellt.

Die Poisson-Klammer ist eine zweistellige Verknüpfung {,}\{\cdot ,\cdot\}, die eine wichtige Rolle in der Formulierung der klassischen Mechanik nach Hamilton spielt. Außerdem lassen sich kanonische Transformationen - wichtige Koordinatentransformationen in der Hamiltonschen Mechanik - mithilfe der Poisson-Klammer charaktersisieren.

Ganz analog zur Poisson-Klammer in der klassischen Physik, wird in der Quantenmechanik der Kommutator verwendet.

Definition

Die Poisson-Klammer zweier Funktionen f=f(q,p,t)f = f(\mathbf{q},\mathbf{p},t) und g=g(q,p,t)g = g(\mathbf{q},\mathbf{p},t) der verallgemeinerten Koordinaten q\mathbf{q} und Impulse p\mathbf{p} ist definiert als

Dabei ist ss die Anzahl der Freiheitsgrade des mechanischen Systems.

Eigenschaften

Aus der Definition der Poisson-Klammer lassen sich einige nützliche Eigenschaften direkt ableiten:

  • Antisymmetrie: {f,g}={g,f}\{f,g\}=-\{g,f\}

  • Bilinearität: {af+bg,h}=a{f,g}+b{g,h}\{a f+b g,h\}=a\{f,g\}+b\{g,h\}

  • Produkte: {fg,h}=f{g,h}+g{f,g}\{fg,h\}=f\{g,h\}+g\{f,g\}

  • Jacobi-Identität: {f,{g,h}}+{g,{h,f}}+{h,{f,g}}=0\{f,\{g,h\}\}+\{g,\{h,f\}\}+\{h,\{f,g\}\}=0

Fundamentale Poisson-Klammern

Aus den einfachen Ableitungsregeln

mit dem Kronecker-Symbol δkl=1\delta_{kl}=1 wenn k=lk=l und 00 sonst, erhält man die sogenannten fundamentalen Poisson-Klammern,

Diese sind sehr wichtig für die Klassifikation von Koordinatentransformationen des Phasenraums - d.h. der Menge aller möglichen Zustände des Systems.

Poisson-Klammern und Hamiltonsche Mechanik

Dank ihrer Definition, erlaubt die Poisson-Klammer eine sehr handliche Schreibweise der Hamiltonschen Gleichungen,

Die Poisson-Klammer verschönert allerdings nicht nur die Notation der Bewegungsgleichungen. Werden in die totale Zeitableitung einer beliebigen Funktion F(q,p,t)F(\mathbf{q},\mathbf{p},t),

die Ableitungen p˙\dot{\mathbf p} und q˙\dot{\mathbf q} aus den Hamiltonschen Gleichungen eingesetzt, erhält man direkt

Auf diese Weise können z.B. Erhaltungsgrößen identifiziert werden. Hängt eine physikalische Größe f(q,p)f(\mathbf{q},\mathbf{p}) nicht explizit von der Zeit ab und verschwindet ihre Poisson-Klammer mit HH, {f,H}=0\{f,H\}=0 so ist diese Größe eine Erhaltungsgröße im mechanischen System und sie bleibt konstant, während das System die von HH vorgegebene Zeitentwicklung durchlebt.

Das Poissonsche Theorem besagt, dass die Poisson-Klammer {f,g}\{f,g\} zweier Erhaltungsgrößen ff und gg, d.h. {f,H}=0\{f,H\}=0 und {g,H}=0\{g,H\}=0, wieder eine Erhaltungsgröße ist. Wenn weder ff noch gg explizit von der Zeit abhängen, folgt das durch direktes Einsetzen von ff, gg und HH in die Jacobi-Identität:

Kanonische Transformationen

Definition

Wird eine Koordinatentransformation (q,p)(Q(q,p),P(q,p))(\mathbf{q},\mathbf{p})\mapsto (\mathbf{Q}(\mathbf{q},\mathbf{p}),\mathbf{P}(\mathbf{q},\mathbf{p})) verwendet, um ein physikalisches Problem zu vereinfachen, ist es wünschenswert, dass sich das Verhalten des System sich nicht allein durch die Transformation ändert. Um dies zu erreichen, werden Transformationen gesucht, die die Hamiltonschen Gleichungen invariant lassen, d.h. die transformierte Hamiltonfunktion H(Q,P)H'(Q,P) soll die gleiche Dynamik beschrieben wie die ursprüngliche Funktion HH:

und

Das ist gleichbedeutend damit, dass das Hamiltonsche Prinzip sowohl im ursprünglichen, als auch im Transformierten System gelten, also

Damit dies gelten kann, dürfen sich sich Integranden nur um einen konstanten Faktor und die totale Ableitung nach der Zeit einer beliebigen Funtktion FF unterscheiden, in Formeln ausgedrückt:

Dadurch wird sichergestellt, dass in beiden Koordinatensystemen die selben physikalischen Vorgänge ablaufen, Erhaltungsgrößen sind in beiden Systemen erhalten. Eine kanonische Transformation ist nun eine Transformation mit κ=1\kappa = 1. Dies stellt zusätzlich sicher, dass in beiden Systemen die selben Einheiten gewählt werden, Erhaltungsgrößen haben somit in beiden Bezugssystemen den selben Wert.

Eine Verallgemeinerung auf explizit zeitabhängige Transformationen ist möglich.

Charakterisierung anhand von Poisson-Klammern

Da sich die Hamilton-Gleichungen mithilfe der Poissonschen Klammern schreiben lassen, ist die Invarianz der Bewegungsgleichungen automatisch gegeben, wenn eine Transformation die Form aller Poisson-Klammern invariant lässt, {f,g}q,p={f,g}Q,P\{f,g\}_{\mathbf q,\mathbf p}=\{f,g\}_{\mathbf Q,\mathbf P}. Dies ist der Fall, wenn die fundamentalen Poisson-Klammern unter der Transformation erhalten bleiben. Eine Transformation ist also denn kanonisch, wenn die fundamentalen Poisson-Klammern unter der Transformation invariant bleiben.

Beispiel

Die Hamiltonfunktione eines eindimensionalen harmonischen Oszillators mit Kreisfrequenz ω\omega und Masse mm ist seine kinetische Energie, plus seine potentielle Energie:

Die Hamiltonschen Gleichungen für dieses System lauten

Diese Differentialgleichungen lassen sich relativ einfach lösen, allerdings kann auch eine kanonische Transformation verwendet werden, um noch einfachere Bewegungsgleichungen zu erhalten. Eine solche Möglichkeit ist die Transformation

bzw. aufgelöst nach den alten Koordinaten

Anschaulisch ist dies eine Transformation von kartesischen in Polarkoordinaten. QQ verhält sich wie ein zeitabhängiger Winkel, PP der dazu konjugierte Drehimpuls.

Die fundamentalen Poisson-Klammern haben in diesen Koordinaten die gewohnte Form,

Wir können uns also sicher sein, dass das System nach der Transformation immer noch der selbe harmonsiche Oszillator ist. Die neue Hamiltonfunktion ergibt sich durch Einsetzen: H=ωP.H'=\omega P.

Die neuen Bewegungsgleichungen lassen sich sofort lösen:

Der Drehimpuls PP ist also eine Erhaltungsgröße, ebenso wie die Gesamtenergie der Drehbewegung ωP\omega P. Durch Einsetzen in die Rücktransformation erhalten wir die Trajektorie des Oszillators in den ursprünglichen Koordinaten.

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