In der Mathematik spielt das Beweisen von Aussagen eine zentrale Rolle. Von der Schule her ist dir das Beweisen wahrscheinlich weniger geläufig, dort geht es in der Mathematik mehr ums Rechnen. Und vielleicht denkst du auch: "Wozu soll ich beweisen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt – das weiß man doch!"
Aber einen schönen Beweis, man sagt auch einen eleganten Beweis zu führen, macht einfach Spaß! Vor allem dann, wenn du den Beweis selber gefunden hast. Aber auch dann, wenn du den Beweis nur nachvollziehst - vielleicht gelingt es dir, den Beweis noch zu vereinfachen.
Aussagen beweisen
Es gibt verschiedene Beweistechniken. Du lernst sie im Folgenden anhand einer durchgängigen, sehr einfachen Aussage kennen. Später dann wendest du die Beweistechniken auf bedeutsamere Aussagen an.
Direkter Beweis
Der direkte Beweis entspricht dem Schema
Du gehst von einer wahren Aussage aus und zeigst, dass daraus die Behauptung folgt. Damit hast du die Behauptung bewiesen.
Beispiel
Du willst zeigen: Wenn eine beliebige Zahl ungerade ist, dann ist auch ihr Quadrat ungerade.
Die Aussage ist hier also " ist ungerade". Die Behauptung ist hier " ist ungerade".
Über mehrere Zwischenschritte zeigst du folgendermaßen:
Hierbei benutzt du die Tatsache, dass die ungeraden Zahlen definitionsgemäß genau diejenigen Zahlen sind, die sich als Vielfaches von 2 plus 1 darstellen lassen.
Indirekter Beweis: Kontraposition
Die Kontraposition entspricht dem Schema
Du willst zeigen, aber stattdessen beweist du die äquivalente Aussage .
Beispiel
Wieder ist die Aussage hier " ist ungerade" und die Behauptung hier " ist ungerade". Die Aussage " ist gerade" entspricht also . Eine gerade Quadratzahl hat die Form . Damit ist gerade. Also gilt .
Indirekter Beweis: Widerspruchsbeweis
Der Widerspruchsbeweis entspricht dem Schema
Etwas Falsches ( entspricht false) kann aber nur aus etwas Falschem folgen, also ist falsch und damit wahr.
Du führst den Beweis, dass die Behauptung gilt, indem du die Annahme machst, dass gelte. Dann führst du die Annahme zum Widerspruch, d. h. du leitest aus der Annahme etwas ab, das nicht sein kann, also etwas Falsches. Damit ist die Annahme falsch und die Behauptung wahr.
Beispiel
Wieder ist die Aussage hier " ist ungerade" und die Behauptung hier " ist ungerade".
Es sei ungerade, also und damit .
Behauptung: ist ungerade.
Annahme des Gegenteils: ist gerade.
Dann hat die Form und es gilt
Links steht ½, aber rechts steht eine ganze Zahl, dies ist ein Widerspruch. Damit ist die Annahme falsch und die Behauptung wahr. Also gilt: ist ungerade.
Beweis mit vollständiger Induktion
Vollständige Induktion eignet sich immer dann, wenn du eine Aussage beweisen möchtest, die für alle gilt.
Dein Beweis besteht aus zwei Schritten:
Du beweist, dass die Aussage für gilt (Induktionsanfang);
du beweist, dass unter der Voraussetzung, dass die Aussage für beliebiges gilt, sie auch für gilt (Induktionsschritt).
Du kannst dir vorstellen, dass ein Induktionsbeweis wie eine Kette umfallender Dominosteine durchklappert: Alle Dominosteine fallen um, wenn du dafür sorgst, dass
der erste Dominostein umfällt (Induktionsanfang),
unter der Voraussetzung, dass ein beliebiger Dominostein umfällt, stets auch der folgende Dominostein umfällt (Induktionsschritt).
Beispiel
Du willst die Aussage " ist ungerade" für alle ungeraden Zahlen per vollständiger Induktion zeigen. Dies tust du in zwei Schritten:
Du beweist, dass die Aussage für gilt (Induktionsanfang),
du beweist, dass unter der Voraussetzung, dass die Aussage für eine beliebige ungerade Zahl gilt, sie auch für die nächste ungerade Zahl gilt (Induktionsschritt).
Und hier ist nun der Beweis:
Induktionsanfang: Für die ungerade Zahl gilt ist ungerade.
Induktionsschritt: Für die auf eine beliebige ungerade Zahl folgende ungerade Zahl gilt ist ungerade, da nach Induktionsvoraussetzung ungerade ist und das Ergebnis nach Addition der zwei geraden Zahlen und ungerade bleibt.
Beweistechniken richtig anwenden
Welchen der vier angegebenen Beweise findest du am besten? Den direkten Beweis? Oder die Kontraposition oder den Widerspruchsbeweis? Womöglich gar den Induktionsbeweis?
Meist ist der direkte Beweis der eleganteste - so auch hier für die Aussage dieses Beispiels. Die indirekten Beweise und der Induktionsbeweis sind hier eher umständlich. Aber manchmal ist es auch anders. Manchmal ist ein direkter Beweis nicht möglich oder zu umständlich oder zu wenig anschaulich, und eine andere Beweistechnik ist eleganter.
Beispiel für einen Widerspruchsbeweis
Behauptung: ist irrational.
Annahme des Gegenteils: ist rational. Dann lässt sich darstellen als gekürzter Bruch mit ganzen, teilerfremden Zahlen und :
Durch Quadrieren der Gleichung ergibt sich
und damit . Da links eine gerade Zahl steht, muss gerade sein und damit auch , also . Damit gilt oder . Damit ist gerade und damit auch .
Hieraus ergibt sich ein Widerspruch zur Annahme, dass und teilerfremd sind. Denn wenn und beide gerade sind, dann sind sie nicht teilerfremd, sondern enthalten 2 als gemeinsamen Teiler.
Also ist die Annahme falsch und die Behauptung ist wahr: ist irrational.
Beispiel für vollständige Induktion
Behauptung: Für jedes gilt: Die Summe der ersten ungeraden Zahlen ist gleich :
Induktionsanfang:
Induktionsschritt: Die Behauptung sei für beliebiges wahr. Dann gilt sie auch für :