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Zeitgestaltung in epischen Texten

Dieser Artikel erklärt die wichtigsten Aspekte der Zeitgestaltung epischer Texte: Erzählzeit und erzählte Zeit; Rückblenden und Vorausdeutungen.

In epischen Texten wird zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit unterschieden. Unter der Erzählzeit ist die Zeit zu verstehen, die Lesende für das Lesen einer Geschichte benötigen. Die erzählte Zeit hingegen beschreibt die Zeit, in der die Handlung der Geschichte stattfindet. Hierbei können die Erzählzeit und erzählte Zeit in verschiedenen Verhältnissen zueinander stehen:

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  • Die Erzählzeit ist kleiner als die erzählte Zeit Wenn die Handlungen innerhalb der Geschichte über viele Jahre andauern und der Lesevorgang, also die Zeit, die man für das Lesen der Geschichte benötigt, nur wenige Stunden andauert, dann ist die Erzählzeit kleiner als die erzählte Zeit und man spricht von einer Zeitraffung. Dies ist häufig in Romanen der Fall. Innerhalb des Textes sind oft Überleitungsformeln zu erkennen: „Einige Tage später […]“ oder „Im folgenden Sommer […]“. Es werden drei Formen der Zeitraffung unterschieden: Die sukzessive Zeitraffung beschreibt die Situation, in der Ereignisse innerhalb der Geschichte vom Erzähler knapp hintereinander aufgereiht werden. Beispiel: „Unterdessen hatte ein Krieg das Land überschwemmt, der alte König war gestorben …“ Andere Formen der Zeitraffung wären die iterative, bei der sich Handlungen wiederholen oder die durative Raffung, bei der gleichbleibende Zustände beschrieben werden. Diese beiden Formen treten häufig gemeinsam auf. Beispiel (iterativ + durativ): „Der Sommer kam und ging und wieder ein Sommer, die Bauern säten und ernteten, das Land aber blieb wie es war: braun, steinig und karg.“

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  • Die Erzählzeit entspricht der erzählten Zeit Wenn die Erzählzeit der erzählten Zeit entspricht, dann ist die Rede von einer Zeitdeckung. Deutlich wird sie vor allem bei der direkten Rede, denn hier braucht das Sprechen der fiktiven Figuren dieselbe Zeit, wie man für das Lesen benötigt.

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  • Die Erzählzeit ist größer als die erzählte Zeit Ist die Erzählzeit größer als die erzählte Zeit, dann spricht man von einer Zeitdehnung. Sie wird zum einen dann verwendet, wenn der Erzähler schnell ablaufende Ereignisse innerhalb der Geschichte ganz detailliert beschreiben möchte. Zum anderen spricht man von einer Zeitdehnung, wenn Ereignisse gleichzeitig stattgefunden haben und der Erzähler diese nacheinander berichtet. Beispiel: "Als ich den Fenstergriff mit meiner Hand umschloss, sah ich eine Dame mit ihrem Hund im Regen spazieren. Ihre Kleidung war vom Regen durchnässt, doch das schien sie nicht zu stören. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte mir kurz zu. Während ich ihr Lächeln erwiderte, fuhr ein rotes Auto mit lauter Musik an ihr vorbei, wodurch ihr Hund anfing zu bellen. Ich schloss das Fenster."

Rückwendungen und Vorausdeutungen

Der chronologische Ablauf kann durch das Aufgreifen von Früherem (Rückblenden) oder Zukünftigem (Vorausdeutungen) unterbrochen werden. Rückwendungen und Vorausdeutungen führen so zu Unterbrechungen und Überlagerungen innerhalb der Geschichte. Die Gegenwart, also das Geschehen innerhalb der Erzählung, wird damit dynamischer. Während die Vergangenheit bei der Rückwendung die aktuellen Entwicklungen erklärbar machen kann, kann die Vorausdeutung Fantasieräume der Lesenden eröffnen und eine spannungssteigernde Wirkung erzielen.

Formen der Rückwendung:

  • Rahmenerzählung Hier berichtet der Erzähler von einer in der Vergangenheit abgelaufenen Geschichte. Aufgrund des zeitlichen Unterschieds erhöht sich die Distanz zu den Ereignissen.

  • Auftauende Rückwendung Der Erzähler gibt hier den Lesenden weitere Informationen zum Geschehen, er klärt Zusammenhänge auf und hilft den Lesenden Ursachen späterer Handlungen zu verstehen.

  • Auflösende Rückwirkung Diese Art der Rückblende tritt meistens am Ende der Erzählung auf, da hier versteckte Zusammenhänge aufgeklärt werden, wodurch die Lesenden Handlungsabläufe besser verstehen können.

  • Eingeschobene Rückwendung Eingeschobene Rückwendungen finden meist in Form von Rückblicken der Figur auf ihre Vergangenheit statt. So werden vergangene Erlebnisse in die fiktive Gegenwart eingeführt und wir erfahren etwas über die Vorgeschichte der Figur.

Formen der Vorausdeutung:

  • Zukunftsungewisse Vorausdeutung Anders als man vielleicht vermutet, muss sich die Vorausdeutung nicht auf ein Geschehen beziehen, was sich tatsächlich in der Zukunft abspielen wird. Durch Vorausdeutungen können wir etwas über Ahnungen oder Ängste der Figuren erfahren, welche sich jedoch nicht bestätigen müssen.

  • Zukunftsgewisse Vorausdeutung Der auktoriale Erzähler besitzt eine Zukunftsgewissheit. Für ihn gehört das zukünftige Geschehen der Vergangenheit an, da er bereits alles darüber weiß. Dementsprechend können seine Kommentare innerhalb der Geschichte als sich später realisierende Vorausdeutungen gesehen werden.

  • Einführende Vorausdeutung Einführende Vorausdeutungen sind beispielsweise durch Hinweise im Titel gegeben.

  • Eingeschobene Vorausdeutung Sie sind durch ihre Kürze und ihre Position gekennzeichnet, da sie sich meist an speziellen Stellen der Geschichte befinden (beispielsweise Texteinschnitte, Konfliktsituationen oder Wendepunkte).

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Quellen

    • Werner Winkler (2000): Abitur-Wissen Deutsch. Prüfungswissen Oberstufe. Freising: Stark. Formen des Erzählverhaltens, S. 59-61.

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