1 Überblick
Die forensischen Sozialwissenschaften sind nahe Verwandte der beiden Fachbereiche forensische Humanwissenschaften und forensische Medizinwissenschaften. Entsprechend findest du mannigfaltige Berührungspunkte und Überschneidungen.
Wir bleiben in unserem Forensik - Kurs durchgängig in der Systematik, die in dem Kurs "Grundlagen der Forensik" beschrieben ist. Du findest also eine Vielzahl an Themenüberschneidungen. Daher ist es auf jeden Fall zielführend, wenn du zunächst durch "Grundlagen der Forensik" einen Überblick über die Systematik der Forensik gewonnen und die vielfältigen Wissensgebieten, die von forensischer Bedeutung sind, kennengelernt hast.
Auch in den forensischen Sozialwissenschaften bildet sich die notwendige Nähe von wissenschaftlicher Arbeit und kriminalistischer Praxis in den gewählten Unterkategorien ab:
Forensische Psychiatrie
Beurteilung der Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit
Erkennen von psychischen oder neurologischen Erkrankungen
Erstellung von Kriminalprognosen
Operative Fallanalyse
Tätertypologie
Mustererkennung aufgrund soziologischer, kriminalistischer und kriminologischer Erfahrungen
Erstellen eines Täterprofils
Erkennen von Serienstraftaten

Nationalbibliothek Wien
Die Einführung in die forensischen Sozialwissenschaften soll dich mit den entsprechenden Fachbereichen und ihren Erkenntnissen näher vertraut machen und dir zeigen, welche spezielle Fragestellungen im forensischen Kontext dabei auftreten. Naturgemäß stehen die Unterstützung bei der Lösung kriminalistischer Fragestellungen und der Beitrag zur Erkenntnisgewinnung des Gerichts auch in diesem Fachbereich an prominenter Stelle. Der Einführungskurs "forensische Sozialwissenschaften" wird ergänzt durch weitere Artikel, die einzelne Aspekte näher beleuchten. Ebenso wird anhand exemplarischer Kriminalfälle ihre Bedeutung illustriert. Der Kurs dauert circa 20 Minuten.
Quellen: Forensik – Wikipedia; Sozialwissenschaften – Wikipedia; https://www.univie.ac.at/sowi-online/esowi/cp/denkensoz/denkensoz-14.html; Bild Nationalbibliothek Wien. Louisa Manz
2 Forensische Psychiatrie
Die forensische Psychiatrie, forensische Psychologie oder forensische Psychotherapie ist ein besonderes Teilgebiet der allgemeinen Psychiatrie. Die Aufgaben von speziell ausgebildeten forensischen Psychiatern (die Bezeichnung „Schwerpunkt Forensische Psychiatrie“ darf geführt werden, wenn die von der Ärztekammer in der Weiterbildungsordnung definierten Bedingungen erfüllt sind):
Das Erkennen von psychischen oder neurologischen Erkrankungen,
sowie die Betreuung und Begutachtung von psychisch kranken Straftätern.
Die forensische Psychiatrie beschäftigt sich mit Fragen, die von Gerichten und Behörden im Gebiet der Psychiatrie gestellt werden. Gutachten in der forensischen Psychiatrie haben eine größere Bedeutung als in anderen medizinischen Fachgebieten, weil ihnen freiheitsentziehende Maßnahmen folgen können. Die gutachterliche Beurteilung befasst sich bevorzugt mit den Voraussetzungen der Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit von Straftätern, die in Deutschland in den Paragraphen § 20 und § 21 StGB geregelt sind.

Tintenklecks-Bild
Die (forensische) Kriminalprognose ist eine Verhaltensvorhersage darüber, ob eine Person oder eine bestimmte Personengruppe zukünftig gegen das Strafgesetz verstoßen wird. Die Kriminalprognose ist in vielen Fällen vom Gesetzgeber vorgeschrieben (z. B. bei der Anordnung von freiheitsentziehenden Maßregeln, §§ 63, 64, 66 StGB). Das Gericht kann einen Sachverständigen mit der Erstellung eines kriminalprognostischen Gutachtens beauftragen und dieses zur Entscheidungsfindung heranziehen. Innerhalb der Kriminalprognose wird zwischen statistischen und klinischen Prognosen unterschieden. Bei der statistischen Prognose werden empirische Untersuchungen zu Rückfallhäufigkeiten und -prädiktoren einer entsprechenden Tätergruppe herangezogen. Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen werden Regeln zur Beurteilung des Rückfallrisikos abgeleitet. Relevante Risikomerkmale des vorliegenden Einzelfalls werden durch eine Erhebung der persönlichen Vorgeschichte (Anamnese), ein Aktenstudium und ein persönliches Gespräch mit der Person erhoben. Anhand der abgeleiteten Regeln werden die Ausprägungen einer Person bzgl. dieser Merkmale zu einer numerischen Rückfallwahrscheinlichkeit für den Einzelfall verdichtet.
Exkurs:
Du solltest berücksichtigen, dass die Einordnung der forensischen Psychiatrie in die Kategorie der forensischen Sozialwissenschaften einer Klassifizierung aus Wikipedia folgt. Diese Einteilung wurde durchgängig als Roter Faden für den Fachbereich Forensik gewählt. Es erleichtert dir das Open Source - Quellenstudium, ist aber nur eine von einer Vielzahl denkbarer Ordnungsmöglichkeiten der forensischen Wissenschaftsgebieten.
Quellen: Forensische Psychiatrie – Wikipedia; Forensische Psychiatrie - Zertifizierungen - Mitglieder - DGPPN Gesellschaft; Forensische Psychiatrie - Behandlung, Wirkung & Risiken | MedLexi.de; Kriminalprognose – Wikipedia; Lebenslauf und Kriminalprognose | SpringerLink; 160 INKBLOT ideas | ink blot, rorschach, rorschach inkblot (pinterest.de) (CC)
3 Operative Fallanalyse
Der Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden wurden in der Forensik seit dem 19. und 20. Jahrhundert auf ein hohes Qualitätsniveau gebracht. Demgegenüber wurden die kriminalistisch-kriminologischen und sozialwissenschaftlichen Methoden geradezu stiefmütterlich behandelt. Der Durchbruch auf diesem forensischen Spezialgebiet ist eng verknüpft mit der Arbeit des amerikanischen Federal Bureau of Investigation (FBI) in der Mitte des 20. Jahrhundert. Nach und nach führten die in den USA entwickelten Methoden und Erkenntnisse des Profiling auch in Deutschland zu einer eigenständigen Entwicklung. Die deutschen Polizeibehörden erarbeiteten eine Systematik für fallanalytische forensische Fallbeurteilungen, die sogenannte operative Fallanalyse (OFA). Die operative Fallanalyse hat wesentlich zur Professionalisierung und Effizienz-Steigerung der kriminalpolizeilichen Arbeit beigetragen:
Was macht die operative Fallanalyse (OFA): OFA bewertet die objektiven Daten der Tat einer eigenständigen Betrachtung, um Hypothesen über ihren Hintergrund aufzustellen. Daher findet sie unabhängig von den eigentlichen polizeilichen Ermittlungen statt, kann allerdings auch ermittlungsbegleitend eingesetzt werden.
Wann kommt die operative Fallanalyse zu Einsatz: OFA kommt in der Regel nur bei schweren Straftaten wie etwa seriellen Tötungs- und Sexualdelikten zum Einsatz. Sie ist dann erforderlich, wenn die polizeilichen Ermittlungen nicht zu eindeutigen Feststellungen über Täter, Tatablauf, Opferverhalten oder weitere relevante Tatelemente geführt haben.
Was unterscheidet die operative Fallanalyse vom Profiling: OFA und Profiling sind nicht deckungsgleich. Vielmehr kann ein Täterprofil ein Ergebnis der Fallanalyse sein. Obwohl ein Täterprofil ohne vorherige Fallanalyse undenkbar ist, kann jedoch eine Fallanalyse auch ohne Täterprofil erstellt werden.

Die forensische Methodik bei der Durchführung von Operativen Fallanalysen war zunächst speziell auf die Deliktsbereiche von Tötungs- und Sexualdelikten ausgerichtet. Darüber hinaus bezogen sich die frühen Forschungen im Bundeskriminalamt (BKA) zur Fallanalyse von Erpressung und erpresserischen Menschenraub. Aufgrund der besonderen deliktischen Unterschiede wurden hierfür allerdings jeweils eigene Vorgehensweisen entwickelt. Die forensische Methodik wurde mittlerweile so weiter entwickelt, dass sie bei fast allen schwerwiegenden Straftaten angewendet werden kann.
Quellen: Operative Fallanalyse – Wikipedia; BKA - Operative Fallanalyse (OFA); FBI Records: The Vault — Criminal Profiling; FBI method of profiling - Wikipedia; Kriminologie-Lexikon ONLINE (krimlex.de); https://nonciclopedia.org/wiki/Criminal_Minds:_Suspect_Behavior