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Gleichgewicht in gemischten Strategien und der Kampf der Geschlechter

Im vorherigen Artikel haben wir uns Nash-Gleichgewichte und Bimatrixen angeschaut. Jetzt schauen wir uns fortgeschrittene Beispiele an, die jeweils zwei Nash-Gleichgewichte haben. In diesen gibt es meist ein weiteres gemischtes Gleichgewicht, in dem beide Spieler mit einer Wahrscheinlichkeit pp die erste Strategie wählen und dementsprechend mit 1p 1-p die zweite.

Als Standard-Beispiel wird meist der Kampf der Geschlechter verwendet:

Ein Junge und ein Mädchen haben sich in der U-Bahn kennengelernt und sich unsterblich verliebt, aber leider vergessen, die Nummern auszutauschen. (Als die Spieltheorie erfunden wurde, gab es auch noch keine Handys.) Der Junge hat erzählt, dass er Samstag Abend bei einem Boxwettbewerb live zuschauen wollte. Das Mädchen wollte am selben Abend zum Ballett gehen. Beide sind aber schwer verliebt und wollen auf jeden Fall etwas zusammen machen.

In der Bimatrix sieht das dann so aus:

Junge

/Mädchen

Boxen

Ballet

Boxen

glücklich

/zufrieden

unglücklich

/unglücklich

Ballet

unglücklich

/unglücklich

zufrieden

/glücklich

Man sieht, dass es zwei Nash-Gleichgewichte gibt: Wenn beide zum Boxen gehen, wäre es schlecht von dem anderen, nicht hin zu gehen. Andersherum wäre es aber auch für beide schlecht, nicht zum Ballett zu gehen, wenn der andere zum Ballett geht. Hätten sie sich für eine Veranstaltung verabredet, wäre das kein Problem. Aber was soll man machen? Natürlich Mathe!

Um Mathe zu machen und eine Wahrscheinlichkeit für eine gemischte Strategie zu errechnen, brauchen wir Zahlen, um die Wörter "glücklich", "zufrieden" und "unglücklich" zu beschreiben. Hierfür denken wir uns einfach Zahlen aus, um zu beschreiben, wie glücklich wir sind. Sagen wir: "glücklich" ist eine 2, "zufrieden" ist eine 1, und "unglücklich" eine 0.

Wichtig ist hier, dass 'größer' immer 'besser' ist. Im Wirtschaftsstudium nimmt man oft den Geldgewinn. Das ist aber strenggenommen oft nicht richtig. Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn ich 1 Millionen Euro geschenkt bekommen würde. Aber ob ich 11 oder 10 Millionen geschenkt bekommen würde, wäre mir fast egal, da ich in beiden Fällen super reich bin. Obwohl der Unterschied in beiden Szenarien 1 Millionen Euro ist, ist der gefühlte Unterschied riesig. (Für große Unternehmen ist es aber wiederum sehr ähnlich.)

In der Bimatrix sieht das dann so aus:

Junge

/Mädchen

Boxen

Ballett

Boxen

2

/1

0

/0

Ballett

0

/0

1

/2

Nehmen wir an, das Mädchen weiß, dass der Junge eine Münze werfen wird. Das ist hier zwar nicht die mathematische beste Strategie für den Jungen, aber vielleicht hat er in der U-Bahn erzählt, dass er bei so was eine Münze werfen würde. Somit hat der Junge die gemischte Strategie, in 50%50\% der Fälle die Strategie "Boxen" zu wählen und in 50%50\% der Fälle die Strategie Ballett. Für jeden der Fälle hat der Junge also die Wahrscheinlichkeit pj=0,5p_j=0{,}5 gewählt.

Damit kann sich das Mädchen ausrechnen, was der erwartete Nutzen umu_m (hier Glücklichkeit) ihrer beiden Strategien ist.

um(Boxen)=em(Boxen, Boxen)pj=10,5=0,5um(Ballett)=em(Ballett, Ballett)(1pj)=20,5=1u_m(\text{Boxen})=e_m(\text{Boxen, Boxen})\cdot p_j= 1 \cdot 0{,}5 = 0{,}5 \newline u_m(\text{Ballett})=e_m(\text{Ballett, Ballett})\cdot (1-p_j)= 2\cdot0{,}5 = 1

Hier ist em(Boxen, Boxen)e_m​(\text{Boxen, Boxen}) der Eintrag in der Tabelle, und pjp_j ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Junge die Strategie 1 wählt, also zum Boxen geht. Dementsprechend ist 1pj1-p_j die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Ballett geht.

Man sieht also, dass der erwartete Nutzen um u_m bei Ballett größer ist; das würde bedeuten, dass das Mädchen unbedingt zum Ballett gehen sollte, wenn der Junge eine Münze wirft.

Andersrum sollte der Junge natürlich zum Boxen gehen, wenn er weiß, dass das Mädchen eine Münze wirft.

Auch wenn wir schon sehen, das es keine gute Strategie ist, wenn beide eine Münze werfen, können wir uns den erwarteten Nutzen vmv_m ausrechnen, also wie glücklich das Mädchen im Schnitt wäre, wenn beide eine Münze werfen:

vm(0,5;0,5)=pmum(Boxen)+(1pm)um(Ballett)vm(0,5;0,5)=0,50,5+0,51=0,75v_m(0{,}5;0{,}5)=p_m \cdot u_m(\text{Boxen})+(1-p_m)\cdot u_m(\text{Ballett}) \newline v_m(0{,}5;0{,}5)=0{,}5 \cdot 0{,}5+0{,}5\cdot 1=0{,}75

Wie davor ist pmp_m ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Mädchen die Strategie 1 wählt, und 1pm1-p_m die entsprechende Gegenwahrscheinlichkeit.

Man könnte meinen, dass das Mädchen für jedes pjp_j von dem Jungen ein pmp_m wählen kann, um seinen Nutzen vmv_m zu maximieren. Das ist sehr wirtschaftlich gedacht, aber nur halb richtig. Denn in der Regel gibt es für fast alle pjp_j einfach eine Strategie für das Mädchen, die besser ist.

Rechnen wir hierfür noch ein Beispiel: Sagen wir, der Junge geht zu 90%90\% zum Boxen, weil er nicht so gut Mathe kann wie das Mädchen. Dann ist:

um(Boxen)=em(Boxen, Boxen)pj=10,9=0,9um(Ballett)=em(Ballett, Ballett)(1pj)=20,1=0,2u_m(\text{Boxen})=e_m(\text{Boxen, Boxen})\cdot p_j= 1 \cdot 0{,}9 = 0{,}9 \newline u_m(\text{Ballett})=e_m(\text{Ballett, Ballett})\cdot (1-p_j)= 2\cdot0{,}1 = 0{,}2

Und das Mädchen sollte unbedingt zum Boxen gehen, da der erwartete Nutzen einfach höher ist. Es gibt jedoch ein pj p_j, wo der erwartete Nutzen von beiden Strategien für das Mädchen gleich ist.

um(Boxen)=!um(Ballett)em(Boxen, Boxen)pj=em(Ballett, Ballett)(1pj)1pj=2(1pj)pj=22pj3pj=2pj=23u_m(\text{Boxen}) \overset{\underset{\mathrm{!}}{}}{=} u_m(\text{Ballett}) \newline e_m(\text{Boxen, Boxen})\cdot p_j= e_m(\text{Ballett, Ballett})\cdot (1-p_j)\newline 1\cdot p_j= 2\cdot (1-p_j)\newline p_j=2-2\cdot p_j\newline 3\cdot p_j=2\newline p_j=\frac{2}{3}

Wenn der Junge also mit der Wahrscheinlichkeit von py=23p_y=\frac{2}{3} zum Boxen geht, ist es absolut egal, welche Strategie das Mädchen wählt. Da das Mädchen extra viel gerechnet hat und jetzt gar keine sinnvolle Entscheidung treffen kann, dreht es den Spieß um und legt sich ihr pmp_m so, dass es für den Jungen auch egal wäre, welche Strategie er gewählt hätte.

uj(Boxen)=!uj(Ballett)ej(Boxen, Boxen)pm=ej(Ballett, Ballett)(1pm)2pm=1(1pm)2pm=1pm3pm=1pm=13u_j(\text{Boxen}) \overset{\underset{\mathrm{!}}{}}{=} u_j(\text{Ballett}) \newline e_j(\text{Boxen, Boxen})\cdot p_m= e_j(\text{Ballett, Ballett})\cdot (1-p_m)\newline 2\cdot p_m= 1\cdot (1-p_m)\newline 2\cdot p_m= 1-p_m\newline\newline 3\cdot p_m=1\newline p_m=\frac{1}{3}

Wenn also der Junge mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/32/3 zum Boxen geht und das Mädchen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/31/3, dann ist es für beide egal, ob sie von ihrer Strategie abweichen, da der jeweils andere sein pp genau so bestimmt hat, dass die Strategie des anderen egal ist. Da beide keinen Grund haben, von ihrer Strategie abzuweichen, haben wir ein Gleichgewicht.

Rechnen wir der Vollständigkeit halber noch den erwarteten Nutzen des Gleichgewichtes aus.

vm(2/3;1/3)=pmum(Boxen)+(1pm)um(Ballett)vm(2/3;1/3)=pmem(Boxen, Boxen)py+(1pm)em(Ballett, Ballett)(1py)vm(2/3;1/3)=1/312/3+(11/3)2(12/3)=2/9+4/9=6/90,67v_m(2/3;1/3)=p_m \cdot u_m(\text{Boxen})+(1-p_m)\cdot u_m(\text{Ballett}) \newline v_m(2/3;1/3)=p_m \cdot e_m(\text{Boxen, Boxen})\cdot p_y+(1-p_m)\cdot e_m(\text{Ballett, Ballett})\cdot (1-p_y) \newline v_m(2/3;1/3)=1/3 \cdot 1\cdot 2/3+(1-1/3)\cdot 2\cdot (1-2/3)=2/9+4/9=6/9 \approx 0{,}67

Man merkt, dass der erwartete Nutzen (für beide) geringer ist als beim doppelten Münzwurf. Der doppelte Münzwurf war aber leider keine stabile Strategie, da es sich für beiden Spieler lohnt, von der Strategie Münzwurf abzuweichen. Hier haben wir jedoch eine schwach dominante Strategie, da es für beide Spieler auch keinen Grund gibt, bei der Strategie zu bleiben oder von ihr abzuweichen.

Und die Moral von der Geschicht': Tauscht einfach Nummern aus!

Suchen wir noch die gemischte Strategie für ein schwierigeres Beispiel

Für das zweite Treffen der beiden haben beide beschlossen, zusammen zu lernen. Sie möchte sich sternförmige Mengen für ihre Analysis-Klausur und er sich Statistik für seine Physik-Bachelorarbeit aneignen. Beiden ist klar, dass sie zusammen lernen wollen, aber beiden ist auch klar, dass sie mehr lernen, wenn sie sich ihr Thema anschauen.

Um abzuschätzen, welches Thema man lernen will, haben sie geraten, wie viele Punkte sie in der Klausur bekommen würden, wenn sie was lernen. Es ergibt sich folgende Bimatrix:

Junge

/Mädchen

Statistik

Analysis

Statistik

60

/80

40

/70

Analysis

20

/50

50

/90

Man merkt vier Dinge:

Erstens: Das Mädchen ist eindeutig besser in der Uni; das ist hier aber ziemlich egal, da jeder für sich seinen Nutzen (hier Uni-Ergebnisse) maximieren will. Egal wie schlecht oder gut man ist, man kann immer noch was lernen.

Zweitens: Der Junge will eher Statistik lernen, das Mädchen eher Analysis.

Drittens: Beide lernen besser zusammen.

Viertens: Wir haben zwei Nash-Gleichgewichte, wenn beide Statistik oder beide Analysis lernen.

Wir haben also eine ähnliche Situation wie davor, und wir können genau wie davor die gemischte Strategie suchen.

Errechnen wir zunächst für den Jungen den erwarteten Nutzen in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit pmp_m , dass das Mädchen Strategie 1 (Statistik) wählt:

uj(Statistik)=ej(Statistik, Statistik)pm+ej(Statistik, Analysis)(1pm)uj(Statistik)=60pm+20(1pm)=20+40pmuj(Analysis)=ej(Analysis, Statistik)pm+ej(Analysis, Analysis)(1pm)uj(Analysis)=40pm+50(1pm)=5010pmu_j(\text{Statistik})=e_j(\text{Statistik, Statistik})\cdot p_m + e_j(\text{Statistik, Analysis})\cdot (1-p_m) \newline u_j(\text{Statistik})=60\cdot p_m + 20\cdot (1-p_m)=20+40\cdot p_m \newline u_j(\text{Analysis})=e_j(\text{Analysis, Statistik})\cdot p_m + e_j(\text{Analysis, Analysis})\cdot (1-p_m) \newline u_j(\text{Analysis})=40\cdot p_m + 50\cdot (1-p_m)=50- 10 \cdot p_m

Jetzt wählt das Mädchen wieder die Wahrscheinlichkeit genau so, dass es für den Jungen keinen Unterschied macht, welche Strategie er wählt.

uj(Statistik)=!uj(Analysis)20+40pm=5010pm50pm=30pm=35u_j(\text{Statistik}) \overset{\underset{\mathrm{!}}{}}{=} u_j(\text{Analysis}) \newline 20+40\cdot p_m= 50-10\cdot p_m \newline 50\cdot p_m= 30 \newline p_m= \frac{3}{5}

Dasselbe müssen wir auch für den Jungen machen. Wir starten wieder mit dem erwarteten Nutzen von dem Mädchen:

um(Statistik)=em(Statistik, Statistik)pj+em(Analysis,Statistik)(1pj)um(Statistik)=80pj+50(1pj)=50+30pjum(Analysis)=em(Statistik, Analysis)pj+em(Analysis, Analysis)(1pj)um(Analysis)=70pj+90(1pj)=9020pju_m(\text{Statistik})=e_m(\text{Statistik, Statistik})\cdot p_j + e_m(Analysis, Statistik)\cdot (1-p_j) \newline u_m(\text{Statistik})=80\cdot p_j + 50\cdot (1-p_j)=50+30\cdot p_j \newline u_m(\text{Analysis})=e_m(\text{Statistik, Analysis})\cdot p_j + e_m(\text{Analysis, Analysis})\cdot (1-p_j) \newline u_m(\text{Analysis})=70\cdot p_j + 90\cdot (1-p_j)=90- 20 \cdot p_j

Jetzt wählt der Junge wieder die Wahrscheinlichkeit genau so, dass es für das Mädchen keinen Unterschied macht, welche Strategie es wählt.

um(Statistik)=!um(Analysis)50+30pj=9020pj50pj=40pj=45u_m(\text{Statistik}) \overset{\underset{\mathrm{!}}{}}{=} u_m(\text{Analysis}) \newline 50+30\cdot p_j= 90-20\cdot p_j \newline 50\cdot p_j= 40 \newline p_j= \frac{4}{5}

Die gemischte schwach dominante Strategie ist in diesem Beispiel also pj=45 p_j= \frac{4}{5} und pm=35p_m= \frac{3}{5} . Rechnen wir noch schnell den erwarteten Nutzen aus:

vm(45,35)=pmum(Statistik)+(1pm)um(Analysis)vm(45,35)=35(50+3045)+(135)(902045)vm(45,35)=35(50+24)+25(9016)=3574+2574=44,4+29,6=74v_m(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )=p_m \cdot u_m(\text{Statistik})+(1-p_m)\cdot u_m(\text{Analysis}) \newline v_m(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )= \frac{3}{5} \cdot (50+30\cdot \frac{4}{5})+(1-\frac{3}{5})\cdot (90-20\cdot \frac{4}{5}) \newline v_m(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )= \frac{3}{5} \cdot (50+24)+\frac{2}{5}\cdot (90-16) = \frac{3}{5} \cdot 74+\frac{2}{5}\cdot 74=44{,}4+29{,}6=74

Für den Jungen folgt:

vj(45,35)=pjuj(Statistik)+(1pj)uj(Analysis)vj(45,35)=45(20+4035)+(145)(501035)vj(45,35)=45(20+24)+15(506)=4544+1544=44v_j(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )=p_j \cdot u_j(\text{Statistik})+(1-p_j)\cdot u_j(\text{Analysis}) \newline v_j(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )= \frac{4}{5} \cdot (20+40\cdot \frac{3}{5})+(1-\frac{4}{5})\cdot (50-10\cdot \frac{3}{5}) \newline v_j(\frac{4}{5} ,\frac{3}{5} )= \frac{4}{5} \cdot (20+24)+\frac{1}{5}\cdot (50-6)=\frac{4}{5} \cdot 44+\frac{1}{5}\cdot 44 = 44


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