1 Einführung
Unter den 150 Nachhaltigkeitszertifikaten, die in der globalen Tourismusindustrie existieren, gibt es große Unterschiede. Goldabzeichen? Grüner Balken? Lächelnde Wolken? Es ist komplex, was da dahintersteckt. Aber eigentlich sollte es keine Voraussetzung sein, nachhaltiges Reisen studiert haben zu müssen, um seinen Urlaub ohne schlechtes Gewissen zu buchen.
Deshalb zeigen wir euch mithilfe des ChargeHolidays Sustainability Check, welche inhaltlichen Bereiche zu beachten sind, wenn ihr nach nachhaltigen Unterkünften Ausschau haltet.

2 Mobilität
In der Sektion Mobilität dreht sich alles um die An- und Abreise sowie das Unterwegssein vor Ort. Bei der An- und Abreise können Unterkünfte beispielsweise mit einem Serviceangebot aufwarten, das es bequem macht, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.

Welche Kriterien gibt es
Gibt es direkt eine Haltestelle vor Ort?
Wird auf der Internetseite eine gut verständliche Wegbeschreibung zur Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bereitgestellt?
Falls es sich um entlegene Gebiete handelt: Bietet die Unterkunft einen Shuttleservice an, um dennoch eine Anreise ohne Privat-PKW oder Taxi zu erleichtern?
Auch eine Kooperation mit Anbietern wie der Deutschen Bahn, sei es in Hinblick auf die eigene Beförderung der Reisenden, oder dem Gepäckservice, zählen unter diese Kategorie.
Es ist besonders entscheidend, ob die Unterkunft über die verschiedenen Optionen und deren Auswirkungen für die Umwelt informiert: Gibt es Informationstafeln? Broschüren? Dedizierte Ansprechpartner:innen an der Rezeption? Kann ich mit dem eigenen E-Mobil verreisen? Auch dies geht nur ohne Bauchschmerzen, wenn die Unterkunft über eine ausreichende Ladeinfrastruktur verfügt und - fast noch entscheidender - darüber so gut informiert, dass Planungssicherheit herrscht.
3 Wasser & Energie
Wenn du auf Reisen unterwegs bist, werden ca. 75 – 96 kWh pro Tag (und pro Person) benötigt, während es im normalen deutschen Haushalt lediglich 3 kWh sind.
Den größten Hebel, diese enorm hohe Zahl zu verringern, haben – neben deinem bewussten energiesparenden Verhalten, wie z.B. das Ausschalten von technischen Geräten und des Lichts im Hotelzimmer - die Unterkünfte. Entsprechend wird in dieser Kategorie abgefragt, ob der Energie-/ und Wasserverbrauch durch eigene Expertise im Haus oder externe Hilfe minimiert wird.

Kriterien für Unterkünfte
Besonders wichtig bei Ferienunterkünften ist die Einbettung in die lokale Infrastruktur.
Gerade um klimapositiv zu werden, sind autarke Strom- und Wärmesysteme (Solaranlagen, Blockkraftsysteme oder Wärmepumpen) entscheidend.
LED Beleuchtungen sowie die Nutzung von Bewegungsmeldern tragen zur Reduktion des Strombedarfs bei. Der Strom, der dennoch anfällt und nicht selbst generiert werden kann, sollte idealerweise durch entsprechend zertifizierte Öko-Stromanbieter gedeckt werden.
Sind die zur Anwendung kommenden Gerätschaften (z.B. Kühlschränke, Waschmaschinen, TV-Geräte) auf dem aktuellen Stand und gehören der ressourcensparendsten Kategorie an (z.B. in Deutschland Effizienzklasse A)?
Teilen statt Vervielfachen. So sind Gerätschaften in Gemeinschaftsräumen deutlich energieeffizienter, als ein Minibarkühlschrank, der wenig genutzt in jedem Einzelzimmer zu finden ist.
Muss es für alles gleich Frischwasser sein? Auch Regenwasser eignet sich z.B. zum Betreiben der Toiletten. Dies wird ebenso positiv angerechnet, wie die Reduktion des Frischwassergebrauchs durch andere Mechanismen, z.B:
die Nutzung von Perlstrahlern und Sparduschköpfen
das direkte Reparieren von Verdichtungsproblemen
die transparente Anzeige des Wasserverbrauchs für Reisende in der Unterkunft. Dies führt oft dazu, dass man kürzer duscht und - vielleicht auch noch einen kleinen Wettkampf daraus macht, wer aus der Familie oder dem Freundeskreis am wenigsten Wasser verbraucht.
Am allerwichtigsten ist, dass die Betreibung der Einrichtungen nicht zu einer Wasserknappheit und signifikanten Preissteigerung in der Region beiträgt. Die strategische Ausrichtung und Kontrolle des Wasser- und Energieverbrauchs ist ebenso entscheidend. Entsprechende KPIs müssen gesetzt und Kontrollsysteme etabliert sein.
4 Verbrauch & Abfall
3,5 kg fallen pro Gast und pro Tag beispielsweise in der Urlaubsregion der Malediven an. Egal ob Plastik oder Papier – unnötig produzierter Müll muss nicht sein. Maßnahmen, die ergriffen werden können, sind der Ausschluss von Einwegmaterialien, z.B. bei:
Besteck und Strohhalmen
Vergabe von Give Aways (wenn überhaupt) und
Snacks ohne Verpackung (wie z.B. durch lose Kekse zum Kaffee, Nussgläser statt -dosen, oder einer Süßigkeitenbox mit Zange an der Rezeption anstelle der Mini-Gummibärchen-Plastiktüte)
Karaffen an Stelle von Plastikflaschen
Bereitstellung von Nachfüllstationen als Motivation Mehrwegbehältnisse zu verwenden
Etwas seltener, aber dafür deutlich größere Müllmengen fallen in der Elektronik sowie beim Mobiliar an.
Werden ausgemusterte Bildschirme weitergegeben?
Kommen Matratzen an soziale Einrichtungen, die diese weiterverwenden können?
5 Transparenz im Nachhaltigkeitsmanagement
Gerade im Urlaub sind viele Reisende offen für Neues. Neue Erfahrungen lassen sich zu Hause auch gut in den Alltag integrieren. Entsprechend gilt es, die Reisenden umfassend zu informieren.
Entscheidend ist, dass die Unterkunft Transparenz auf allen Ebenen bietet. Rückfragen von Reisenden im Bereich der Nachhaltigkeit sollten umfassend beantwortet und auch Defizite sollten nicht verschwiegen werden. Feedback der Gäste zu dem Thema sollte umfassend aufgenommen und umgesetzt werden.
6 Soziale Nachhaltigkeit
Der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit umschließt die beiden Bereiche der Gäste sowie der Mitarbeitenden. Bei ersterem ist entscheidend, dass die Unterkunft für Menschen mit Behinderung sowie Familien geeignet ist. Dies äußert sich im barrierefreien Zugang zu den verschiedenen Räumlichkeiten, Maßnahmen sowohl vor Ort als auch auf der Internetseite, um für Menschen mit Hör- oder Seheinschränkungen nutzbar zu sein, wie z.B. Ansagen sowie Blindenschrift in Fahrstühlen. Es gibt auch Unterkünfte, die den Begleiter:innen von Menschen mit Behinderung den Aufenthalt erleichtern, z.B. durch eine entsprechende Vergünstigung der Übernachtung.

7 Ernährung & Pflege
Is(s)t man auf Reisen, möchte man die kulinarischen Sinne nicht vernachlässigen. Gäste finden in Betrieben, die in diesem Bereich nachhaltig sind, regionale, biologische und saisonale Produkte. Auch ein Verzicht bzw. eine Reduktion von Tierischem schont die Umwelt, sodass ein prozentual hoher Anteil solcher Gerichte positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsbewertung nimmt.
Wird über den CO2-Fußabdruck verschiedener Gerichte informiert, sodass der/die Kund:in eine fundierte Entscheidung bei der Bestellauswahl treffen kann? Lebensmittelabfälle zu reduzieren ist entscheidend: sowohl beim Einkauf, bei der Zubereitung in der Küche, durch Informationen bei den Hotelgästen sowie Kooperationen mit Initiativen, wie z.B. foodsharing oder too good to go. Einzeln in Plastik verpackte Nuss-Nougat-Creme- und Marmeladenbehältnisse? Auch nicht das Wahre. Entsprechend sollte auch hier auf verpackungsarme Lösungen gesetzt werden. Neben Nahrungsmitteln gilt dasselbe für Getränke: Tee aus Teesieben ist um ein Vielfaches besser als Standardtees aus Mikroplastik enthaltenden Beuteln. Dasselbe gilt für die Vermeidung von Kaffeekapseln und Einwegflaschen bei den Säften.

Neben dem Befriedigen der Geschmacksknospen sind auch die Geruchsknospen stets besonders verwöhnt, wenn es in den Urlaub geht. Wie steht es also um mikroplastikfreie Pflegeprodukte? Am besten in nachfüllbaren Aufbewahrungsbehältnissen und aus tierversuchsfreier Forschung. Auch Textilien, wie Handtücher, Bademäntel und Badeschlappen sollten im besten Fall lokal, frei von Kinderarbeit und aus biologischen Rohstoffen hergestellt werden.
8 Architektur & Ausstattung
Dieser Bereich wird viel zu häufig vernachlässigt. Doch alleine der Bau der Unterkunft sowie vorgenommene Umbauten und Wartungen sind entscheidend für den -Fußabdruck. Gerade beim Bau sollten regionale Ressourcen verwendet werden, um lange Transportwege und intransparente Lieferketten zu vermeiden. Das Material sollte sorgfältig ausgewählt werden nach:
Langlebigkeit
Recyclefähigkeit
wie gut es für das geplante Design geeignet ist.
Je nach Verwinklung, Ausrichtung und Anordnung der Wohnflächen lässt sich Heizenergie sparen, besser isolieren und durch autarke Systeme das Gebäude besser versorgen. Auch die Minimierung des Flächenverbrauchs spielt eine entscheidende Rolle. Entscheidend ist auch, ob im Bau sowie Umbau die lokale Bevölkerung einbezogen wurde. Sind die Architekt*innen vor Ort erfahren und wissen, was sich gut in die Kultur und Struktur einbettet? Werden lokale Ersatzflächen geschaffen, falls doch Flächen versiegelt werden müssen? Beim Bauen und Planen neuer Erweiterungen und Umstrukturierungen der Gebäude lässt sich also viel bewirken.
9 Wichtige Hinweise zum Schluss
Entscheidend zu beachten ist, dass diese Nachhaltigkeitsabfragen die wichtigsten Aspekte abdecken, aber auch nicht jeden Bereich im Detail beleuchten können. Achte darauf, was dir in deinem Urlaub am wichtigsten ist und welcher„Nachhaltigkeitstyp“ zu dir passt. Zudem solltest du im Hinterkopf behalten, dass das nachhaltige Management einer Unterkunft oft von dessen Umgebung abhängt. Je nach Land und Region unterscheiden sich z.B. die Möglichkeiten bei der Abfalltrennung. Gehe also sicher, Unterkünfte ähnlicher Rahmenbedingungen miteinander in Vergleich zu stellen, um eine realistische Einschätzung zu erhalten.