1 Übersicht
Dieser Kurs gibt eine kurze Einführung in die elementare Algebra. Die Begriffe Term, Variable, (lineare) Gleichung, usw. werden eingeführt und es wird ein sinnvoller Zusammenhang ausgearbeitet welchen konzeptuellen Nutzen sie für den (täglichen) Gebrauch eines Mathematikers haben. Der didaktische Ansatz unterscheidet sich möglicherweise vom klassischen Ansatz der Lehrpläne.
Kursdauer
(Keine Garantie)
Etwa 30 bis 60 Minuten
Voraussetzungen
Um diesen Kurs absolvieren zu können, werden folgende Themen bereits vorausgesetzt:
Verständnis des Zahlbegriffs ("Zahl" als Objekt, Zahlaspekte (z.B. Kardinalzahl, Ordinalzahl, usw))
Beherrschung der Grundrechenarten in den natürlichen Zahlen. (Arithmetik)
Stellenwertsysteme (insbesondere Dezimalsystem)
2 Motivation - Was ist Abstraktion?
Bereits im frühen Kindesalter an lernt man bereits, dass man nicht nur ganz konkrete, reale Dinge "zählen" kann, sondern auch Dinge, die bspw. örtlich fast unendlich weit auseinanderliegen können. Weiter noch tritt früh die Erkenntnis ein, dass man sogar völlig imaginäre, reine Vorstellungen unseres Geistes zählen können und es dabei keine Rolle spielt, ob diese Vorstellung nun wirklich real existieren könnte oder nicht. Bereits hieran lässt sich eine grundlegende Fähigkeit erkennen, die jeder Mensch besitzt: Die Abstraktion. Doch was genau ist diese Fähigkeit? Und warum ist sie in diesem Kurs von Relevanz? Das wollen wir genauer erläutern.
Definition: Abstraktion
Die Abstraktion ist ein Akt des Erkenntnisvermögens, "eine Vorstellung, deren ich mir bewusst bin, von der Verbindung mit anderen Vorstellungen in einem Bewusstsein abzuhalten. — Man sagt daher nicht, etwas abstrahieren (absondern), sondern von etwas abstrahieren" (Kant)
Was heißt das nun einfach ausgedrückt? Nun, wenn wir von bspw. "Bäumen" sprechen wollen, dann wird wohl jeder hier zustimmen, dass wir ja uns eines Begriffes bedienen, der wirklich auch nur diese Dinger da, die wir Bäume nennen wollen, bezeichnen und nicht z.B. Autos oder irgendetwas anderes. Damit dies gelingt, benötigen wir aber gewisse gemeinsame Merkmale bzw. Eigenschaften, die jedes Ding, das wir als Baum kennen, auch unter dem Begriff "Bäume" untergeordnet werden kann.
Wir sehen relativ schnell, dass Abstraktion also nicht nur alleine zum Zählen gut ist, sondern sich im Alltag in vielen anderen Facetten zeigen kann, auch in solchen die mit Mathematik nicht unbedingt etwas gemein haben müssen. Anbei wollen wir das einmal an einem Beispiel mit Möbeln demonstrieren und wie so ein Abstraktionsprozess von Begriffen abläuft:

Wir betrachten dazu zunächst einmal ein konkretes Objekt, das wir aus der Realität kennen: Einen Tisch.
Von dem Begriff des Tisches können wir abstrahieren dahingehend, dass wir diesen im Plural des Begriffs "die Tische" zusammenfassen, denn es gibt bestimmte Eigenschaften, die uns geistig dazu nötigen Objekte, die diese Eigenschaften miteinander teilen, unter einem Begriff zu bringen.
Diese obersten Begriffe, unter denen wir untere Begriffe einteilen, bezeichnet man meist als Gattungsbegriff. Ein Gattungsbegriff wiederum beinhaltet unter sich bestimmte Artbegriffe. Um beim Beispiel zu bleiben: Der Gattungsbegriff "Tische" enthält nun bestimmte Artbegriffe von ganz bestimmten Arten an Tischen. Z.B. sind Mahagoni-Tische eine ganz bestimmte Sorte an Tischen, unterscheiden sich also von ihrem Material. Trotzdem sind es immer noch Tische, da sie bestimmte Eigenschaften immer noch miteinander teilen (z.B. vierbeinig, zweibeinig, man kann auf ihnen Dinge platzieren und abstellen, usw). Sprechen wir von ganz konkreten, individuellen Tischen dann sagen wir meist Individuum bzw. Tisch X. Man sieht: Ein Artbegriff enthält also alle Eigenschaften des Gattungsbegriffes in sich.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass natürlich ein Gattungsbegriff selbst auch wieder nur ein Artbegriff sein kann, wenn wir festlegen, dass es noch einen höheren Begriff gibt. Z.B. können wir vom Begriff "Tische" sogar noch weiter abstrahieren und ihn dem Begriff "Möbel" unterordnen.
Die Abstraktion von Begriffen gelingt uns also, weil wir konkrete Individuen betrachten, von denen wir, sobald wir mehrere Individuen vor Augen haben, gemeinsame Eigenschaften erkennen, die uns dazu nötigen diese Individuen als etwas ganzheitliches, gemeinsames zu betrachten, wofür dann eben solche oberen Begriffe definieren. Tatsächlich tun wir dies ständig im Alltag, wie bereits angemerkt. Wir tun es mit Bäumen, Pflanzen, Tieren, usw. Die Abstraktion ist die Fähigkeit, die jedem innewohnt. Und sie ist auch die Voraussetzung um Mathematik sinnvoll betreiben zu können.
Der Abstraktionsprozess in unserem Beispiel läuft also wie folgt ab:
Wir betrachten einen ganz konkreten, individuellen Tisch (z.B. der Tisch zuhause)
Wir abstrahieren vom individuellen Tisch zum Artbegriff Mahagoni-Tische, da wir feststellen, dass dessen Material z.B. aus Mahagoni besteht.
Anschließend abstrahieren wir weiter vom Artbegriff Mahagoni-Tische zum Gattungsbegriff Tische, da wir feststellen, dass, unabhängig vom Material, unser Tisch alle Eigenschaften erfüllt, die einen Tisch erst zum Tisch machen (z.B. vierbeinig, zweibeinig, usw.)
Wie erwähnt kann auch dieser Gattungsbegriff (Tische) selbst nur ein Artbegriff eines höheren Gattungsbegriffes sein, z.B. Möbel.
Es sollte noch zuletzt erwähnt werden, dass es natürlich auch Begriffe gibt, von denen wir keinen Gattungsbegriff mehr bilden können, wenn das Regelwerk dies so vorsieht. Z.B. das Haus der Vierecke, mit dem Quadrat. Das Quadrat hat alle Eigenschaften aller Vierecke in sich vereinigt. Es kann aber auf dem Quadrat kein Gattungsbegriff gebildet werden, da es unter dem Begriff "Quadrat" keine weitere Vierecksfigur gibt (genauer es keinen Artbegriff gibt), die alle Eigenschaften des Quadrats + einer weiteren Eigenschaft in sich vereint. Die Bedingung zur Bildung eines Gattungsbegriffes ist es, dass es einen Artbegriff geben muss, der alle Eigenschaften des Gattungsbegriffs in sich enthält und ihn um eine weitere Eigenschaft ergänzt.
Bei dem Rechteck wiederum lässt sich ein Gattungsbegriff bilden. Das Rechteck ist ein Gattungsbegriff (aber auch Artbegriff unterhalb des Gattungsbegriffs des Parallelogramms, usw), da es den Artbegriff des Quadrats unter sich enthält. Kurzum: Begriffe, die keine Artbegriffe unter sich enthalten, sind keine Gattungsbegriffe, sondern nur noch Artbegriffe unterhalb von Gattungsbegriffen.
Streng genommen gilt dies im Allgemeinen aber nicht: Denn wir können zu jedem Ding immer noch spezifischere Unterschiede finden und daher niedrigere Artbegriffe definieren. Z.B. könnte man definieren, dass wir unterhalb des Begriffs ders Quadrats auch die Quantität, z.B. die Längenangabe, unterscheiden würden (z.B. 4x4 Quadrate, 3x3 Quadrate, usw). Dann wäre das Quadrat ein Gattungsbegriff, das als Artbegriffe entsprechend Quadrate bestimmter Länge enthalten würde. Es hängt also ganz allgemein davon ab wie weit die Definition das Bilden weiterer Artbegriffe auf ein Ding, und damit folglich über ihnen, Gattungsbegriffen, zulässt. Für das Haus der Vierecke wäre diese Beispieldefinition nicht zulässig.
3 Objekte in der Mathematik
Nachdem wir unseren Exkurs über Abstraktion abgehandelt haben, wollen wir nun zur Mathematik kommen. Nicht nur in der von uns mit Sinnen wahrnehmbaren Welt finden wir Objekte vor, sondern selbstverständlich auch in der Mathematik. Tatsächlich beruht unser ganzes Denken auf ein solches objektorientiertes Denken, in welchem wir Objekten untersuchen (hinsichtlich ihrer Eigenschaften), praktisch arbeiten/anwenden, sie erweitern, gruppieren bzw. zu noch abstrakteren Objekten zusammenfassen können. Gerade in der Mathematik zeigt sich also das Abstraktionsvermögen des Menschen in voller Pracht.
Nun wird man sich wohl fragen: Welche Objekte sind das denn aber nun, die das tägliche Brot der Mathematiker sind? Um mal ein paar Beispiele aufzuzählen (auf die wir gleich näher eingehen werden) sind das z.B. sehr grundlegende Objekte wie Zahlen, Variablen, Mengen, Funktionen, usw.
Zahlen
Man mag hier vielleicht zuerst ins Staunen geraten, wenn man hier "Zahl" als ein Objekt bezeichnet, aber es ist wirklich so! Um mal ein Beispiel zu machen: Wenn wir von "Zahlen" sprechen, woran denkt man meist als erstes? Die meisten denken direkt an etwas konkretes, dass man mit den fünf Sinnen erfassen kann wie das klassischste Anschauungsbeispiel, wie "ein Apfel" oder "zwei Äpfel", oder irgendwelche konkreten Gegenstände jeglicher Art, die man anfassen kann.
Aber wenn eine Zahl wirklich als Eigenschaft einem echten Gegenstand anhängen würde, so müsste es uns unmöglich sein Dinge zu zählen, die nicht existieren. Wir sehen aber, dass uns das eben doch gelingt. Mehr noch, können wir sogar die Zahlenreihe vollständig losgelöst von jeglichem Gegenstand aufsagen und das in sinnvoller Reihenfolge. Kant beschreibt den Begriff der Zahl treffend wie folgt:
Die Zahl ist das "Schema" der Größe. (Kant-Eisler)
Was genau heißt das? Nun, der Begriff der "Zahl" ist lediglich also eine vorgefertigte Schablone, ein Konstrukt unseres Verstandes, mittels welchem wir "Größen" beschreiben können. Diese Schablonen können aber selbstverständlich unabhängig zu jedem Bezug existieren. Die Zahl 5 z.B. ist also nichts anderes als ein reines Gedankenobjekt, das wir mithilfe der Zählprinzipien lernen auf Gegenstände anzuwenden. Ein klassischer Prozess beim Zählen sieht wie folgt aus:
Durch die uns innewohnenden, reinen Anschauungsformen von Raum und Zeit erkennen wir mehrere Gegenstände, und können sie deutlich voneinander unterscheiden. Selbst wenn diese 1:1 identisch wären, so würden wir sie trotzdem unterscheiden können, weil wir wissen, dass sie sich an zwei verschiedenen Positionen befinden.
Wir entscheiden uns die Gegenstände zu zählen. Wir wenden das erste Zählprinzip an: Das Eindeutigkeitsprinzip => Jedem Gegenstand ordnet man genau ein Zahlwort (d.i. die gesprochene Zahl, z.B. eins, zwei, usw.) zu. Dabei wird immer mit dem Zahlwort "eins" begonnen.
Wir wenden das zweite Zählprinzip an: Das Prinzip der stabilen Ordnung => Wir wissen, dass es eine feste Reihenfolge der Zahlenwörter gibt. Wir machen nicht mit drei weiter, bevor wir nicht das Zahlwort "zwei" einem der zu zählenden Objekte zugeordnet haben. Und wir lassen auch kein Zahlwort aus.
Wir wenden das dritte Zählprinzip an: Das Prinzip der beliebigen Reihenfolge => Wir wissen, dass es egal ist, mit welchem der Gegenstände wir anfangen zu zählen oder wie diese angeordnet sind; Diese Erkenntnis ist nur deshalb möglich, weil wir gerade ja unbewusst wissen, dass Zahlwörter und Zahlen keine Eigenschaften der zu zählenden Gegenstände sind, sondern völlig unabhängig und losgelöst von diesen existieren. (nämlich in unserem Verstand)
Wir wenden (eigentlich schon zusammen mit dem dritten und vor dem ersten) das vierte Zählprinzip an: Das Abstraktionsprinzip => Wir können alles zählen. Die Gegenstände, die wir zählen, müssen keinerlei inhaltlichen Bezug zueinander haben. Wir können z.B. Äpfel, Computermäuse, Nasen und Kaffeetassen gemeinsam zählen.
Das letzte Zählprinzip schließlich führt den Zählprozess zum Abschluss: Das Kardinalzahlprinzip => Das letztgenannte Zahlwort gibt uns die Anzahl der abgezählten Gegenstände an. (z.B. wir zählen: eins, zwei, drei, vier, fünf => fünf Gegenstände)
Die Definition kann noch wesentlich breiter gefasst werden, insbesondere wenn wir uns die Hilfsbegriffe von Raum und Zeit anschauen, aber wir lassen dies mal außen vor.
Der Zahlbegriff selbst ist also, ganz recht, lediglich ein Objekt unseres Geistes. Zahlen sind keine realen, mit den Sinnen zu erfassenden, Gegenstände. Wohl aber ist der Begriff der Zahl ein nützliches Werkzeug, mit dem wir tagtäglich hantieren, sei dies eben beim klassischen Zählen, beim Kopfrechnen oder bei komplexeren Vorgängen wie das Berechnen einer Wahrscheinlichkeit, das irgendein Ereignis eintritt.
Man sollte sich nun aber nicht vorschnell dazu verleiten lassen nun alles an echten Gegenständen, die wir zählen, als "nicht real" zu bezeichnen. Zwei Äpfel bleiben selbstverständlich immer noch zwei Äpfel, so wie eben alles was wir zählen. Es gibt eben nur andere Arten und Weisen diese Menge, die wir da sehen, diese zwei Äpfel zu beschreiben. Es ist sicherlich schwer vorstellbar, aber es gibt viele Arten wie Menschen in der Vergangenheit, lange vor der Existenz moderner Zahlensysteme, auf ihre Weise gezählt haben. So nutzten Urzeit-Menschen bspw. Kerbhölzer und ritzten in ihnen, bei jedem Zählvorgang, eine Stelle ein. Zum Unterschied heutiger Zählweisen nutzte man damals also vor allem noch die äußere Umgebung oder den eigenen Körper, wie Hände, Füße, Finger, usw. Ein rein gedankliches, abstraktes Zählen wie heutzutage fand damals also noch nicht statt.
Auch hier wird wieder deutlich, dass also unser heutiger moderner Zahlbegriff lediglich ein weiteres Werkzeug unseres Geistes ist, das sich als besonders gut erwiesen hat und nicht mehr wegzudenken ist. Es ist aber möglich, dass zukünftige weit fern liegende Generationen durchaus noch bessere Zahlbegriffe entwickeln könnten, die wir uns kaum vorstellen können. Letztlich beruhen aber alle diese Modelle auf den gleichen Kerngedanken, den Kant oben beschrieben hat.
Was jetzt allerdings noch fehlt ist ein Repräsentant, ein Symbol, welches eine konkrete Instanz/Individuum dieses Objektes "Zahl" repräsentiert. Auch hier gab es in der Geschichte der Menschheit viele verschiedene Symbole, um ebensolche Zahlen darzustellen. Durchgesetzt haben sich die arabischen Ziffern, wie wir sie heute alle kennen.
Durch moderne Zahlensysteme ist es auch möglich geworden besonders große Zahlen mit einer festen Grundmenge an Ziffern darzustellen, ohne das (wie es bspw. bei der römischen Zahlschrift der Fall war) immer wieder neue Symbole für immer größer werdende Zahlen eingeführt werden müssen. Es reichen sogar bereits nur zwei Ziffern aus (strenggenommen sogar nur eine, siehe Unärsysteme) aus, um jede denkbare Zahl darzustellen. Wir verwenden das Dezimalsystem (10er System), bestehend aus den Ziffern von 0 bis 9. Der Vorteil dieses Systems ist auch, dass jede Zahl für sich selbst eindeutig ist und es keine weiteren Repräsentanten geben kann. Das bedeutet: Nur die Symbole "2" und "9" aufeinanderfolgend geschrieben repräsentieren die Zahl 29 und keine andere Zahl.
4 Variablen
Neben Zahlen gibt es natürlich noch viele weitere Objekte in der Mathematik. Ich möchte hier das Augenmerk auf ein ganz besonderes, in der elementaren Algebra, essentielles Objekt legen: Die Variable. Hierzu müssen wir uns nun von der Auffassung, dass etwas wie bspw. "2 + 3" nur reine Rechenaufgaben sind, die arithmetisch zu lösen sind, verabschieden. Wer die Zahlaspekte des Zahlbegriffs kennt, weiß, dass der Zahlbegriff auch aus dem Aspekt der Rechenzahl besteht, der wiederum in zwei untere Kategorien unterteilt ist:
Der algorithmische Aspekt
Der algebraische Aspekt
In den Anfängen der Schulzeit lernt man vor allem den algorithmischen Aspekt kennen, nämlich in Form der Grundvorstellung, dass wir einen Ausdruck wie bspw. "25 + 81" mithilfe einer gewissen (heuristischen) Strategie lösen müssen. Der algebraische Aspekt dagegen befasst sich weniger mit der Frage nach der Lösung der Aufgabe, und dagegen mehr mit der Frage welche Eigenschaften diese Ausdrücke gemeinsam haben.
Dabei zu beachten ist, dass wir eigentlich schon öfter unbewusst den algebraischen Aspekt anwenden wenn wir uns auf den algorithmischen Aspekt beziehen. Z.B. wenn wir erkennen, dass es einfacher wäre die einzelnen Summanden in einer Operation zu vertauschen, weil es sich so vielleicht einfacher rechnen lässt: 37 + 27 + 13 + 36 . Die einzelnen Summanden könnte man wie folgt umstellen: 13 + 27 + 37 + 36 = 113. Hier wendeten wir bereits eine gewisse Eigenschaft an, die unter dem Begriff Kommutativgesetz bekannt ist. Dieses besagt, dass ganz gleich wie ich die Summanden in einer Summe vertausche, der Wert der Summe bleibt stets gleich.
Wir sehen also, dass der algebraische Aspekt und algorithmische Aspekt fließend ineinander übergehen, so wie es auch sein sollte. Nun ist das natürlich sehr wichtig für die Praxis, denn durch Kenntnis gewisser Gesetzmäßigkeiten können wir uns so auch das Rechnen erleichtern, neue Tricks und Möglichkeiten entdecken mit besonders großen Zahlen hantieren zu können. Allerdings kann dies aber auch schnell zu einem Hindernis werden. Wenn wir nämlich nur die Gesetzmäßigkeiten, unabhängig vom algorithmischen Aspekt, betrachten und untersuchen wollen, bietet uns die bisherige Darstellung leider nur eingeschränkte Möglichkeiten.
Anbei dazu ein Beispiel: Wir möchten ausdrücken, dass für beliebige natürlichen Zahlen zusammen mit dem Summenoperator das Kommutativgesetz gilt. Man könnte natürlich klassisch anschaulich einfach mehrere Beispiele untereinander aufschreiben, um dann zu verdeutlichen, dass das Gesetz auf jedenfall stimme:
Nun könnte natürlich aber ein etwas skeptischer Schüler die Frage stellen ob denn diese Gleichheit denn tatsächlich wirklich für alle Zahlen gleich ist. Man könnte ja vielleicht irgendeine Aufgabe finden, in der diese Gleichheit nicht gegeben sei, wäre der Schüler überzeugt. Was bliebe sonst übrig als noch mehr Beispiele aufzuschreiben, bis man den Schüler überzeugt hat? Ein anderes Problem, das wohl noch gravierender ist, ist, dass sich die reine Zahlenschreibweise auch denkbar wenig eignet um Gesetzmäßigkeiten kurz und prägnant auszudrücken. Vor allem wäre es besonders unübersichtlich müsste man jedes Mal beim Notieren neuer mathematischer Zusammenhänge eine solche Reihe an Beispielen aufschreiben, bei der man hoffen muss, dass sie von genug Schülern akzeptiert wird.
Und hier kommt nun unser Gedanke der Abstraktion wieder ins Spiel, der uns die Lösung darbietet: Was wenn wir statt der Zahlen ein weiteres mathematisches Objekt einführen, welches gedanklich eine Ebene weiter höher liegt als die Zahl? Genau diese Absicht hat die Variable.
Variable
Eine Variable also soll konzeptuell eine höhere Abstraktionsebene darstellen, mit der wir nicht mehr auf einzelne Beispiele mit Zahlen zurückgreifen müssen um mathematische Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben, sondern nun stattdessen Variablen als Objekte verwenden, die für eine bestimmte Zahl stehen (können), um ebensolche Zusammenhänge zu beschreiben. Man sagt auch synonym "Platzhalter" zu Variablen, eben weil sie den Platz freihalten für ein anderes Objekt. Im Übrigen muss eine Variable nicht ausschließlich für eine Zahl stehen, sondern kann selbst auch wieder für eine weitere Variable oder gar für einen ganzen Ausdruck wie z.B. 2 + 5 bestehen.
Es ist von unbedingter Wichtigkeit sich bewusst zu machen, dass Variablen und Zahlen nicht ein und dasselbe sind. Es ist zwar richtig, dass Variablen für eine Zahl stehen können, sie sind jedoch selbst keine Zahlen. Am besten erkennt man dies intuitiv, wenn man sich bewusst macht, dass Variablen nicht nur für konkrete Zahlen stehen können, sondern auch bspw. für Summen.
Die Variable stellt also (um auf Kapitel 2 zurückzugreifen) den Gattungsbegriff (und Artbegriff) dar, der wiederum unter sich den Artbegriff der Zahl enthält. Die Zahl wiederum ist die kleinste Einheit, die nicht weiter in andere Artbegriffe zerlegt werden kann. Demzufolge ist die Zahl selbst kein Gattungsbegriff, sondern lediglich Artbegriff.
Nun haben wir zwar das konzeptuelle Werkzeug eingeführt, bleibt nun aber die Frage durch welche Symbole bzw. Zeichen wir dieses nun repräsentieren sollen. Es wäre natürlich unsinnig dafür die arabischen Ziffern zu nehmen, da diese ja bereits die Zahlen repräsentieren (und wir wollen Mehrdeutigkeiten absolut vermeiden). Also müssen wir uns anderer Zeichen bedienen. Konventionell hat man sich darauf geeinigt als Instanzen für Variablen die Kleinbuchstaben aus dem Alphabet zu nehmen. Sprechen wir also von einer Instanz einer Variablen, dann können wir z.B. diese mit dem Symbol a, b, c, usw. repräsentieren.